Spaziergänge sind meist das Highlight des Hundealltags. Während Frauli und Herrli oft erschöpft heimkommen und beim Spazierengehen die Seele baumeln lassen wollen, geht für den Hund der Spaß erst richtig los: Er hat schließlich tagsüber geruht und möchte jetzt etwas erleben. Ein Interessenskonflikt, der oft auch der Auslöser für verschiedene Probleme im Hundealltag ist ...
Vorweg ist es wichtig herauszufinden, welche Interessen man denn überhaupt mit seinem Vierbeiner teilt. Habe ich mich für einen sehr aktiven Hund entschieden, so liegt meist eine gemeinsame körperliche Betätigung wie Joggen, Radfahren oder Walken nahe. Trotz der monotonen Bewegungsabläufe bei diesen Sportarten sind Hunde meist durch das Ziel, das Tempo zu halten und sich an dem Menschen zu orientieren, in einem konzentrierten Arbeitsmodus, der sie mehr auslastet als die Distanz selbst. Hat man sich für einen arbeitsamen Hund entschieden, sollte die nötige Bewegung mit geistiger Auslastung kombiniert werden. Hast du dich für einen „Trödler“ entschieden, so kannst du all das kombinieren, wie du möchtest. Dennoch sollte jeder Hund in den Genuss von aktiver Beschäftigung mit dem Menschen kommen, egal ob Mops oder Molosser. Gemeinsame Aktivitäten schweißen zusammen und stärken die Beziehung.
„Freundschaften entstehen durch die gleichen Interessen und Ansichten. Das gilt auch für Mensch und Hund“
DEN SPAZIERGANG RICHTIG STARTEN
Erst einmal ist es wichtig, dem Hund gleich von Anfang an Spannung und Spaß zu vermitteln. Gib deinem Hund von der ersten Sekunde an Aufgaben, die ihn einbinden: Er könnte seine Leine selbst bringen, den Autoschlüssel apportieren oder noch einen Moment ruhig warten, bis die Türe aufgeht und du das Haus verlassen hast – natürlich wird dies im Anschluss belohnt. Beim Verlassen des Hauses oder Autos ist es wichtig, den Hund nicht vorgehen zu lassen, sondern durch einen deutlichen Blick in alle Richtungen erst selbst das Territorium abzuchecken, wobei der Hund hinter dir warten muss. So fühlt sich der Hund nicht mehr automatisch dafür verantwortlich. Auch ist es wichtig, hier bereits auf eine entspannte Leinenführigkeit zu achten. Hunde, die jetzt schon ziehen, um zu schnüffeln, zu markieren oder zu anderen Hunden zu gelangen, werden sich im Laufe des Ausflugs ebenfalls nicht mehr an dir orientieren.
Wenn du am eigentlichen Startpunkt des Spaziergangs angelangt bist, also z. B. auf einem Parkplatz, im Wald oder auf dem Feld, solltest du schon mit dem Training beginnen. Alles was du jetzt tust, um deinen Hund auf sich aufmerksam machen, führt dazu, dass die Verbindung auch für den Rest des Spaziergangs besser gehalten wird. Apportier- und Futtersuchspiele eignen sich für den Start besonders gut. Hat dein Hund das Apportieren noch nicht gelernt, wirf ihm einfach gut sichtbar ein Futterstück auf den Boden und verwende dazu das Signal „Such“, während er sich damit beschäftigt. Eine kreisende Handbewegung als Sichtsignal unterstützt die Suche. Danach gibt es wieder eine Sequenz, in der dein Vierbeiner schnüffeln und wieder etwas selbständiger werden darf.
UNTERWEGS DRAN BLEIBEN
Bist du dann auf der Hundewiese angekommen, spricht bei sozial verträglichen Hunden natürlich nichts dagegen, sie dann auch in den Freilauf zu schicken. Achte aber auch hier vorher darauf, dass dein Hund erst aufmerksam mit dir ist. Ansonsten kann der spätere Rückruf zur Herausforderung werden. Dein Vierbeiner darf also jetzt Hunde beschnüffeln, mit ihnen spielen und laufen. Achte hier aber bitte genau auf die Körpersprache der Hunde und unterbrich das „Spiel“, wenn es zu rau und einseitig ist, um deinem Hund das Gefühl zu vermitteln, dass du stets alles unter Kontrolle hast und er sich auf dich verlassen kann.
Nach einer Phase mit Sozialkontakt empfehle ich in Entfernung von anderen Hunden wieder eine spannende Übung: Nun gilt es, die individuellen Vorlieben und rassetypischen Leidenschaften herauszufinden und zu fördern (siehe Infobox). Ich bin ein großer Freund davon, die Umgebung einzubinden. Befinden sich Bäume im Umkreis, kann ich deren Rinde als perfekte Versteckmöglichkeit für Futter nutzen, dort Beute verstecken, Herumschicken üben und vieles mehr. Ist eine Parkbank in der Nähe, kannst du deinem Hund mit dem Signal „Bank“ das Draufspringen beibringen, ihn darunter durchkriechen oder darüber balancieren lassen. Auch das Üben von Grundsignalen gehört während des Spaziergangs dazu.
Auch wenn das jetzt alles viel für dich klingen mag: Die allermeisten Hunde sind mit komprimierter Beschäftigung und geistiger Arbeitsleistung besser ausgelastet, als nach stundenlangen langweiligen Spaziergängen. Mein persönlicher Arbeitsalltag lässt es zum Beispiel oft nicht zu, die nötige Auslastung tagsüber zu bieten. Nachdem sich meine Hunde also nach Bedarf gelöst haben, nutze ich dann abends oftmals beleuchtete Parkplätze, Tiefgaragen oder auch Parks für ca. 20-minütige Trainingseinheiten. Dann wird apportiert, versteckt, geblieben, abgerufen, geklettert, gestoppt und vieles mehr. Kreativität im Hundetraining ist einfach das A & O.
DIE RICHTIGEN BESCHÄFTIGUNGSFORMEN NACH RASSETYPEN:
- Hüte- & Treibhunde (Border Collie, Appenzeller Sennenhund ...): Longier- und Distanztraining, Treibball, Agility, Tricks ... (Impulskontrolle ist sehr wichtig)
- Molosser & doggenartige Hunde (Bullmastiff, Bordeauxdogge ...): Kraftarbeit wie Gegenstände unter Baumstämmen hervorziehen, Beute zwischen dicken Ästen herausarbeiten, Zieh- und Zerrspiele mit Menschen unter Vorbehalt
- Terrier (Jack Russell Terrier, West Highland Terrier ...): Reizangeltraining mit viel Steadyness (Impulskontrolle), Apportierspiele, Nasenarbeit ...
- Hunde vom Urtyp (Husky, Samojede ...): Apportiertraining mit Futterbeutel, Futter-Suchspiele, Zughundesport ...
- Jagdhunde (Pointer, alle Retrieverarten ...): Apportieren, Fährtensuche, Reizangeltraining, Radfahren ...
- Gesellschaftshunde (Französische Bulldogge, Cavalier King Charles Spaniel ...): Tricks, Apportieren, Nasenarbeit ... (alles ist möglich)
- Windhunde (Whippet, Saluki ...): Hetzspiele mit Reizangel, Futterwurfspiele, Hetzen durch Beute an Gummiseil ... keine Aktivitäten, die Ausdauer erfordern)
ÜBER CONNY SPORRER
Nach ihrem 2-jährigen Hundetrainer-Studium bei Martin Rütter in Bonn, leitet Conny Sporrer nun seit fast 4 Jahren die Hundeschule „Martin Rütter DOGS Wien“. Vielmehr werden bei DOGS aber vor allem die Menschen im richtigen Umgang mit ihren Hunden trainiert – Verständnis und Beziehung zwischen Hund und Halter spielen dabei eine ganz wichtige Rolle. Mittlerweile ist Conny selbst Dozentin für das DOGS Studium und gefragte Referentin und Fachautorin rund ums Thema Hund. www.martinruetter.com/wien